Übungen zur Schärfung der Körperwahrnehmung

Ein erster wichtiger Schritt im Focusing ist die bewusste Wahrnehmung des Körpers. Es geht darum, innezuhalten und im eigenen Körper anzukommen, um wohlwollend-neugierig zu erkunden, wie Sie sich im Moment fühlen. Folgende Übungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, können Sie dabei unterstützen.

Grounding-Übung

Beachten Sie im Alltag immer wieder den Kontakt zum Boden. Nehmen Sie Ihre Fußsohlen im Stehen und Gehen wahr:

Wie spüren Sie den jeweiligen Boden unter Ihren Füßen? Welche Regionen der Fußsohlen haben Kontakt zum Boden?

Fühlen Sie, wie Ihr Gewicht in den Fußsohlen ankommt und an den Boden weitergegeben wird. Nehmen Sie die Schwerkraft wahr, die Ihnen Halt gibt auf festem Grund. Gründen Sie Ihr Stehen und Gehen, Ihre ganze Person auf dem Boden, der Sie immerfort trägt.

Bemerken Sie auch im Sitzen und Liegen die Unterlage, die Ihnen Ihr Gewicht abnimmt – sofern Sie bereit sind es loszulassen und abzugeben. Übergeben Sie Ihr Gewicht der Matratze, wenn Sie schlafen gehen.

Tennisball-Übung

Für diese Übung benötigen Sie einen Tennisball. Ziehen Sie Ihre Schuhe aus, stellen Sie sich mit beiden Beinen fest auf dem Boden und schließen Sie die Augen und fragen Sie sich: „wie fühle ich mich bzw. meinen Stand auf dem Boden?“

Dann kreisen Sie mit der Außensohle des rechten Fußes auf dem Tennisball, wechseln Sie nach einer Weile die Kreisrichtung.

Legen Sie nun den Tennisball direkt unter die Fußmitte und bewegen ihn auf einer Linie vor und zurück.

Stellen Sie den rechten Fuß wieder auf den Boden, schließen Sie die Augen und fühlen Sie den Unterschied zwischen rechts und links: gibt es einen Unterschied und wie fühlt er sich an? Versuchen Sie, Ihr Erleben in Worte zu fassen. Achten Sie jetzt nicht nur auf den Fuß, sondern auf den ganzen Körper. Gibt es noch an einer anderen Stelle gespürte Unterschiede?

Jetzt massieren Sie Ihren linken Fuß genauso wie den rechten mit dem Ball: zuerst auf der Außensohle kreisen, dann auf der Fußmitte vor und zurück bewegen.

Stellen Sie dann beide Beine wieder auf die Erde, schließen Sie die Augen und spüren Sie nach: „was kann ich jetzt wahrnehmen?, wie verändert sich mein Stand?, wie fühle ich mich insgesamt?, was hat sich noch verändert?“

Da ist also noch mehr als nur der Fuß. Es gibt nicht nur den physiologischen Körper sondern noch etwas anderes – so etwas wie den „gefühlten“ Körper.

Im Focusing geht es um dieses „noch mehr“, um den gefühlten Körper. Hier hat die Bewegung - die Massage mit dem Ball - ein Empfinden von „da ist noch mehr“ ausgelöst.

Übungen zum Schaffen eines inneren Freiraums

Ein weiterer wichtiger Schritt im Focusing ist das „Freiraum schaffen“. Man kann sich das vorstellen, wie ein neues Theaterstück, das entstehen soll. Es braucht einen Raum, eine freie Bühne auf der sich Neues entfalten kann. Dazu muss erst einmal Platz geschaffen werden. „Wenn uns ein Problem stark belastet, sodass wir mit ihm wie zu einem Denkmal verschmelzen, können wir es nicht lösen“ (Gendlin 2004, S. 95).

Päckchen packen

Ziehen Sie sich für einen Moment aus dem Alltagsgeschehen zurück und schließen Sie die Augen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen und beobachten Sie, was Ihnen im Moment alles durch den Kopf geht, an Bildern, Gefühlen, Gedanken… Vielleicht wirkt auch noch etwas nach, was Sie kürzlich erlebt haben. Wenn Sie möchten, können Sie sich jetzt innerlich ein Fließband vorstellen, so wie es in einem Fabrikgebäude steht, und viele leere Kisten daneben. Jeden Gedanken oder was immer gerade auftaucht, packen Sie in eine Kiste, machen den Deckel zu, sie können die Kiste auch beschriften oder zukleben – ganz wie Sie wollen - und dann stellen Sie die Kiste auf das Fließband und lassen sie mitsamt ihrem Inhalt in den Nebenraum davonziehen, in dem sie aufgestapelt werden. Und es ist auch ok, dass manche Dinge mehrmals kommen oder einfach hartnäckiger sind – das ist ganz normal. Dann packen Sie das eben mehrmals ein und bleiben trotzdem in einer wohlwollenden und interessierten Haltung. Die Dinge sind nicht weg – wir wollen sie nicht zum Verschwinden bringen - sie werden nur vorübergehend zur Seite geräumt. Machen Sie so lange weiter, bis langsam eine innere Ruhe einkehrt.

Gelassenheitsatmung

Schließen Sie Ihre Augen, um die Außeneinflüsse so gut es geht auszublenden oder senken Sie Ihren Blick. Schenken Sie sich und Ihrem Atem die ganze Aufmerksamkeit und nehmen Sie einfach nur wahr, wie der Atem fließt. Ganz ohne Ihr Zutun – der Atem fließt von alleine. Vielleicht können Sie Ihren Atem freigeben und es genießen, dass Sie nichts tun müssen und nichts zu verändern brauchen. Schenken Sie sich ein Lächeln.

Um leichter abschalten zu können, ist es hilfreich, den ganzen Weg des Ein- und Ausatmens mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit zu verfolgen. Wenn der Verstand unruhig ist, ist es sinnvoll, diesen zu beschäftigen z.B. wenn Sie innerlich lautlos sagen: „Ein“ während Sie einatmen und „Aus“ während Sie ausatmen. Stellen Sie fest, dass nach dem Ausatmen eine kleine Pause des Nichtatmens folgt. Nehmen Sie auch diese Pause bewusst wahr. Dies beruhigt Ihr vegetatives Nervensystem.

Übungen zur körperlichen Resonanz

In diesen Übungen geht es darum, ein erstes Gespür für das Kernstück des Focusing zu entwickeln – dem sogenannten „Felt Sense“.

Es ist nicht einfach zu erklären, was ein Felt Sense ist – übersetzt heißt das in etwa „gefühlte Bedeutung“ oder „gespürter Sinn“ – es geht um das körperliche Fühlen eines Themas, einer Situation oder eines Problems.

Übung zum Erlangen eines Felt Sense

Denken Sie an etwas, das Sie sehr gerne haben oder schön finden. Es kann ein Gegenstand sein, ein Ort, ein Tier, irgendetwas – etwas, zu dem Sie eine besondere Beziehung haben. Denken Sie ein bis zwei Minuten lang daran.

Fragen Sie sich: „Warum habe ich das so gerne oder weshalb finde ich es schön?“

Fühlen Sie den ganzen Inhalt dieser besonderen Beziehung. Suchen Sie nach einem oder mehreren Worten, die Ihr Gefühl beschreiben.

Fühlen Sie, ob diese Worte den ganzen „Felt Sense“ (die ganze gespürte Bedeutung“) umfassen und warten Sie, ob neue Worte oder Gefühle auftauchen.